Seit vielen Jahren führen wir an der „Grundschule Friedrichsfeld“ klassen- und jahrgangsübergreifenden Unterricht durch.
Kinder kommen mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen und Vorkenntnissen in die Schule. Diese Tatsache macht es notwendig den schulischen Alltag auf die weit gefächerten Erwartungen der Schulneulinge abzustimmen. Kein Kind will sich in einer Schule langweilen, die ihm nichts Neues bietet. Aber auch kein Kind möchte das Gefühl haben, anderen Kindern hinterher hetzen zu müssen. Das Lebensalter der Kinder entspricht eben nicht dem Lernalter.
Da die Eingangsvoraussetzungen der Schulneulinge unterschiedlich sind, benötigen sie auch unterschiedlich lange, um sich die erwarteten Lerninhalte zu erarbeiten. Außerdem gibt es Kinder mit schnellerer Auffassungsgabe und Kinder, die langsamer lernen. So werden die Kinder einer Altersstufe zu keinem Zeitpunkt in allen Fächern gleiche Kenntnisse aufweisen. Alle Kinder, die sich in ihre Lerngruppe eingelebt haben, möchten ihre Freunde nur ungern verlassen. So ist die Situation für „Überspringer“ und „Wiederholer“ besonders schwierig.
Die jahrgangsübergreifende Lerngruppe bietet den Kindern die Möglichkeit die Grundschule nach ihrem individuellen Lerntempo zu durchlaufen, d.h. in 3, 4 oder 5 Schuljahren.
Ältere und jüngere Kinder arbeiten ihrer individuellen Lernentwicklung entsprechend gemeinsam in einer Lerngruppe.
Mit Hilfe offener Arbeitsformen findet ein stark differenzierter Unterricht statt, der es möglich macht, auf unterschiedlichen Niveaustufen alle Kinder zu positiven Lernergebnissen zu führen.
Lernförderung
Im jahrgangsübergreifenden Unterricht steht die Lernförderung im Vordergrund. Unterschiedliches Lerntempo, Differenzierung/ Individualisierung sind der Kerngedanke des altersgemischten Lernens. Kinder können sich nach ihrem individuellen Lerntempo entwickeln. Kinder mit hoher Begabung sind nicht an ein durchschnittliches Arbeitstempo gebunden. Sie erhalten Freiräume für entdeckendes und forschendes Lernen. Schwächere Schüler erhalten Zeit für langsamere Lernfortschritte. Jedes Kind arbeitet in Kombinationsklassen auf dem ihm angemessenen Niveau. Während sich z.B. Erstklässler beim Thema Wald mit Kennübungen der unterschiedlichen Baumarten auseinander setzen, erarbeiten sich die Drittklässler erste ökologische Zusammenhänge über die Zersetzung des Laubes (Müllabfuhr des Waldes).
Durch das Interesse der Kleinen werden die Großen zu höheren Leistungen motiviert. Wissen an Jüngere weiterzugeben motiviert die eigene Lernbereitschaft. Die Kinder sollen ihre Arbeit erklären, ihr Wissen ordnen und es verständlich mitteilen, durch Erklären das eigene Wissen festigen.
Nicht zwei unterschiedliche Themen werden im Unterricht erarbeitet, sondern Aufgabenstellungen mit unterschiedlichen Anforderungen im Spiralprinzip angeboten. Dabei werden besonders die Sachthemenbereiche der 3. Und 4. Jahrgänge als Grundlage für die Unterrichtsplanung herangezogen.
Soziales Lernen
In besonderer Weise wird im jahrgangsübergreifenden Arbeiten das soziale Lernen gefördert. Kinder lernen in starkem Maße voneinander, die Großen fühlen sich für die Kleinen verantwortlich. Verantwortung zu tragen führt zu wachsendem Selbstbewusstsein und sozialem Miteinander. Rivalitäten und Auseinandersetzungen blockieren das Lernen. Insofern steigert ein gutes soziales Klima auch die Lernfreude. Jedes Kind muss wissen, dass ihm gern geholfen wird, wenn es der Hilfe bedarf und dass es Fehler machen darf ohne ausgelacht zu werden.
Die Größeren nehmen in diesem Bereich ihre Vorbildfunktion wahr und zeigen den Kleinen in einer freundlichen Atmosphäre gegenseitigen Akzeptierens, dass die Arbeit des anderen ernstgenommen und anerkannt wird.
Lernorganisation
Die älteren Kinder geben in den gemischten Klassen die Gruppenregeln, die Lern- und Arbeitsstruktur und das soziale Verhalten an die Schulanfänger weiter. Regeln werden ohne umfangreiche Einführungen vorgelebt. Die Organisation tritt zurück und es bleibt mehr Zeit zum Lernen.
Lernformen des offenen Unterricht – Freiarbeit, Tagesplan, Wochenplan, Werkstatt – und Projektunterricht – sind neben den Lernprogrammen wesentlicher Bestandteil des Unterrichtsalltags.
Zusammenfassung
Im jahrgangsübergreifenden Unterricht werden also Materialien für Lernniveaus aller vier Klassenstufen bereitgehalten. Unterschiedliches Lerntempo, Differenzierung und Individualisierung sind der Kerngedanke des altersgemischten Lernens.
In der heterogenen Lerngruppe besteht die Möglichkeiten in einem von Akzeptanz geprägten und mit wenig Rivalitätsdruck verbundenem Klima voneinander und miteinander zu lernen. In den altersgemischten Klassen bleibt den Kindern ein Lerngruppenwechsel aufgrund ihres individuellen Lerntempos erspart. Neben der im Regelfall vierjährigen Grundschulzeit haben langsam lernende Kinder die Möglichkeit fünf Jahre in der ihnen vertrauten Lerngruppe zu arbeiten und schneller lernende Kinder können die Grundschule nach drei Jahren verlassen. 60 bis 70 % des Unterrichts der Jahrgänge eins bis vier findet gemeinsam statt. Fachstunden werden zur Einführung jahrgangsspezifischer Themen durchgeführt. Sie werden in der Lerngruppe eines Jahrganges abgehalten.
„Drei – Häuser – Modell“
Um dem pädagogischen Auftrag der individuellen Förderung aller Kinder nachkommen zu können und der Erarbeitung der erwarteten fachlichen Kompetenzen gerecht zu werden, ist der Unterricht an unserer Schule in zwei große Blöcke eingeteilt.
In den ersten beiden Stunden lernen die Kinder in ihren jahrgangsgemischten Klassen (1. bis 4. Sj.) gemeinsam mit ihrer Klassenlehrerin. Dieser Zeitraum ist vor allem der individuellen Arbeit vorbehalten. An vorbereiteten Stationen, Wochenplänen, Lernprogrammen und Projekten arbeiten die Kinder in ihrem Tempo und nach ihrem Vermögen. Da alle wissen, was zu tun ist, hat die Lehrerin Zeit, sich intensiver um einzelne Kinder oder kleinere Gruppen zu kümmern.
An den meisten Tagen findet nach der großen Pause der Fachunterricht in der jahrgangsgebundenen Lerngruppe statt. Mit den Fachlehrerinnen des Jahrgangs werden Themen bearbeitet, die für diese Jahrgangsstufe laut Lehrplan vorgesehen sind. Die Themen werden eingeführt, Zusammenhänge erklärt, damit sie dann im jahrgangsübergreifenden Unterricht vertieft und geübt werden können.
Um den Kindern einen überschaubaren, vertrauten Rahmen zu bieten, ist die Schule in „drei Häuser“ gegliedert:
das Baumhaus, das Blumenhaus und das Tierhaus.
In jedem Haus arbeitet ein festes Lehrerteam mit vier jahrgangsgemischten Klassen, die sich für den Fachunterricht mit den anderen Kindern ihres Hauses zusammenfinden.